Die russische Staatsduma hat am Dienstag ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, das Geldstrafen für die gezielte Suche nach extremistischen Materialien im Internet sowie für die Werbung für VPN-Dienste vorsieht. 306 Abgeordnete stimmten dafür, 67 dagegen, 22 enthielten sich. Das Gesetz tritt am 1. September dieses Jahres in Kraft:
Magomedali Alijew, Leiter des Bereichs „Geistiges Eigentum und Medien“ der Anwaltskanzlei „Paljulin und Partner“, erklärte gegenüber der Zeitung Swobodnaja Pressa, dass das Hauptproblem des Gesetzes in der Unklarheit der Definitionen liege – insbesondere in Bezug darauf, was als „vorsätzliche“ Suche oder „offensichtlich extremistisches“ Material gelten soll. Die Liste des russischen Justizministeriums mit extremistischen Inhalten umfasst derzeit etwa 5.500 Einträge, darunter Bücher, Videos, Musik und Bilder – und wird laufend erweitert.
„Bürger können unbeabsichtigt auf solche Inhalte stoßen, ohne deren Status zu kennen – insbesondere, wenn sie VPN-Dienste nutzen, um gesperrte Ressourcen aufzurufen“, so Alijew. Zwar versicherten die Abgeordneten, dass keine automatische Überwachung von Suchanfragen stattfinden werde, doch schaffe das Gesetz die Voraussetzungen für eine Ausweitung der staatlichen Kontrolle. „Es ist schwierig, eine vorsätzliche Handlung ohne die Beschlagnahmung von Geräten zu beweisen. In der Praxis sind solche Beschlagnahmungen durch Sicherheitsbehörden jedoch gängige Praxis“, warnte der Jurist. Dies gefährde die Privatsphäre und berge das Risiko selektiver Strafverfolgung, insbesondere gegenüber Regierungskritikern.
Laut Alijew führe das Gesetz de facto eine strafrechtliche Verantwortung für den bloßen Konsum von Informationen ein – nicht nur für deren Verbreitung. Dies sei bislang nicht gesetzlich verankert gewesen. Der Effekt: Selbstzensur. „Menschen könnten sich davor scheuen, selbst auf legalen Plattformen nach bestimmten Informationen zu suchen – aus Angst, des vorsätzlichen Suchens bezichtigt zu werden“, sagte er.
Zwar sei die Nutzung von VPNs an sich nicht verboten, werde aber als erschwerender Umstand gewertet, wenn ein Verstoß festgestellt werde. Dadurch entstehe zusätzlicher Druck auf Nutzer, die VPNs etwa zum Zugang zu gesperrten sozialen Netzwerken verwenden – einschließlich solcher, die in Russland als extremistisch eingestuft wurden.
Besonders gefährdet seien laut Alijew Berufsgruppen wie Historiker oder Medienvertreter, die beruflich mit sensiblen Inhalten arbeiten. „Historiker könnten Probleme bekommen, wenn sie Materialien zu verbotenen Organisationen untersuchen, etwa Werke von NSDAP-Führern oder anderer Bewegungen, die vom Nürnberger Tribunal als extremistisch eingestuft wurden“, sagte der Jurist.
Selbst wissenschaftliches Interesse könne dann als vorsätzliche Suche gewertet werden – insbesondere, wenn der Zugriff über VPN erfolge. Auch Journalisten seien nicht ausgenommen. „Ermittlungsjournalisten, die Korruption aufdecken oder oppositionelle Bewegungen beleuchten, könnten leicht beschuldigt werden, extremistische Materialien gesucht zu haben, wenn sie sich auf verbotene Quellen stützen“, warnte Alijew. Duma-Abgeordneter Ernest Walejew habe sogar erklärt, dass Journalisten keine Sonderrechte beim Aufrufen gesperrter Ressourcen genießen. Das neue Gesetz zur VPN-Werbung könne zudem Medien und Blogger betreffen, die entsprechende Dienste auch nur in neutralem Zusammenhang erwähnen – wenn dies als Werbung ausgelegt werde.
Alijew gab zum Schluss einen praktischen Hinweis: Wer mit potenziell extremistischen Materialien arbeite, solle den beruflichen oder wissenschaftlichen Zweck der Recherche dokumentieren – etwa in Form eines Forschungsplans oder redaktionellen Auftrags. Dies könne im Falle einer Prüfung als Entlastung dienen.

Und so wird das Internet zu Grabe getragen...
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