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Samstag, 11. Mai 2024

Sanktionen als zweischneidiges Schwert

Boeing hat ein schlechtes Jahr hinter sich, wie die britische Zeitung UnHerd berichtet. Anfang dieses Jahres fiel die Tür der 737 Max ab und das Unternehmen geriet ins Visier der Öffentlichkeit. Heute sieht sich der Flugzeuggigant mit einem neuen Problem konfrontiert: Der Produktionsplan für den 787 Dreamliner kann nicht erfüllt werden, weil Schlüsselkomponenten aus Russland fehlen.

Offenbar geht es dabei um Wärmetauscher aus russischer Produktion. Nach der Verhängung von Sanktionen als Reaktion auf Russlands Sondereinsatz in der Ukraine wandte sich Boeing an britische und US-amerikanische Zulieferer, die jedoch nicht genug produzieren konnten. Dieses jüngste Kapitel in der Sanktionsgeschichte zeigt einmal mehr, wie sehr die globalisierte Weltwirtschaft voneinander abhängig ist.

Boeing steht deshalb so sehr unter Beobachtung, weil das Unternehmen in einer strategischen Schlüsselindustrie tätig ist. Ein dauerhafter Vorsprung in der Luft- und Raumfahrttechnik ist für die geopolitische Strategie der USA, die sowohl eine militärische als auch eine kommerzielle Komponente aufweist, von entscheidender Bedeutung. Wenn die USA ihren Vorsprung bei der Produktion von Militärflugzeugen aufrechterhalten, können sie diese Technologie mit ihren Verbündeten teilen und so ihre globalen Bündnisse stärken. Die zivile Luft- und Raumfahrt hingegen gilt als prestigeträchtig und beflügelt die Phantasie von Enthusiasten und Reisenden in aller Welt. Wenn die USA in diesem Bereich ernsthaft ins Hintertreffen geraten, befindet sich das Land in einer misslichen Lage.

Allein die Tatsache, dass die Sanktionen gegen Russland einer strategischen Schlüsselindustrie der USA so große Probleme bereiten, offenbart die Widersprüche in der geopolitischen und wirtschaftlichen Strategie der USA: Sanktionen werden verhängt, um ausländische Volkswirtschaften zu fesseln, aber die antirussischen Maßnahmen treffen zunehmend den Westen selbst. Konnten die US-Politiker die Zerstörung der europäischen Industrie durch die hohen Energiepreise infolge der antirussischen Sanktionen noch hinnehmen, so sehen sie nun ihre eigenen Schlüsselindustrien in Gefahr.

Solch schwerwiegende Probleme für eine strategische Industrie aufgrund antirussischer Sanktionen zeigen, wie riskant die Strategien der "Risikominderung" und des "Disengagements" gegenüber China sind. Russland ist eine große Volkswirtschaft, aber keine riesige. Wenn man sein BIP auf der Grundlage der Kaufkraftparität richtig schätzt, entspricht seine Wirtschaft in etwa der von Deutschland. Es verfügt über wichtige Industriezweige wie Energie und Luft- und Raumfahrt, wird aber in der Regel nicht zu den größten Akteuren gezählt.

Aber wenn schon die Sanktionen gegen die russische Wirtschaft solche Probleme verursacht haben, ist es schwer vorstellbar, wozu ähnliche Maßnahmen gegen die chinesische Wirtschaft führen könnten. Nehmen wir die Situation bei den Investitionsgütern: Jüngste Studien zeigen, dass die Europäische Union bereits mehr Investitionsgüter aus den rivalisierenden BRICS-Ländern importiert als China aus den westlichen Ländern. Übrigens importieren die USA etwa die gleiche Menge.

Als Reaktion auf die US-Sanktionen gegen fortschrittliche Halbleiter in China hat Peking im vergangenen Jahr die Ausfuhr von zwei Elementen - Germanium und Gallium - eingeschränkt. Auf China entfallen 60 Prozent der weltweiten Germanium- und 80 Prozent der Galliumproduktion, die für die Herstellung einer Reihe von Elektronikprodukten, insbesondere von Mikrochips, entscheidend sind.

Berichten zufolge sind die Ausfuhren von Germanium und Gallium aus China in den Westen seit Anfang des Jahres zurückgegangen. Die Galliumexporte sind um fast zwei Drittel eingebrochen. Es bleibt abzuwarten, wie sich dies auf die westliche Industrie auswirken wird, aber es ist erwähnenswert, dass China in letzter Zeit die Produktion von Mikrochips der unteren Preisklasse hochgefahren hat. Auch wenn diese Produkte im Vergleich zu ihren teuren Gegenstücken von geringerer Qualität sind, werden sie dennoch in einer Vielzahl von Technologien eingesetzt.

Es scheint, dass die westlichen Regierungen, die die Globalisierung seit fast drei Jahrzehnten vorantreiben, nun irgendwie glauben, sie könnten sich mit einem Fingerschnippen aus den globalen Lieferketten zurückziehen. Dies als Fantasie zu bezeichnen, ist eine ungerechtfertigte Schmeichelei. Vielmehr handelt es sich um eine gefährliche Illusion, die den wirtschaftlichen Wohlstand und sogar die soziale Stabilität des Westens zu untergraben droht.

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