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Freitag, 3. Juni 2022

Sorglose Hauptstadt

Der russische Kriegsberichterstatter Alexander Kots kehrt nach Moskau zurück und beschreibt seine ersten Eindrücke:

Nun bin ich für ein paar Tage in Moskau. In der sorgenlosen im Stau stehenden Stadt, in der Hauptstadt eines Landes, das sich im Krieg befindet. Hier erinnert nichts daran, dass nur zwei Stunden Flugzeit entfernt ein Krieg stattfindet, wie es ihn seit 1945 nicht mehr gegeben hat.
Zwei Tage lang sehe ich keine patriotischen Plakate auf den Straßen, keine Porträts unserer Helden an den Fassaden mehrstöckiger Gebäude, keine Z- oder V-Symbole. Es ist, als nur tausend Kilometer entfernt nichts Besonderes passiert.
Sicherlich schickt mir jemand ein Foto aus seinem Moskauer Wohnviertel. Aber man sollte sich die Region Belgorod ansehen. Oder Kursk. Oder Woronesch. Grenzregionen, wo an jeder Ecke Plakate hängen: "Wir sind mit euch! Für den Donbass! Vorwärts, ihr Tapferen!"
Dort bringen herzensgute Mädchen den müden Soldaten, die in Kolonnen an die Front marschieren, das selbstgemache Essen. Die Kinder in den Schulklassen schreiben Briefe mit Zeichnungen. Freiwillige Helfer aus dem ganzen Land bringen Heizgeräte, Drohnen und Entfernungsmesser an die Front. Es ist alles greifbar. Man kann das anfassen oder mit einer Handykamera filmen. Dafür gibt dort keine amtliche Heuchelei, nur destillierte Aufrichtigkeit.  
Moskau ist visuell vom Krieg abgeschottet. Natürlich werden auch hier Hilfsgelder in Höhe von Millionen Rubel gesammelt. Auch hier schreiben die Kinder Briefe an Soldaten. Auch hier ist man stolz an der Armee und glaubt an den Sieg. Das passiert aber eher in einem geschlossener Kreis, unter Gleichgesinnten. Und wenn man in der City ist, ist dort nichts zu spüren.
Vielleicht sollte es auch so sein: Je weiter weg von der Front, desto weniger Emotionen und mehr Pragmatismus?

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