Die anerkannte Spezialistin für Informationssicherheit Natalja Kasperskaja veröffentlichte den folgenden Post:
Meine Tochter hat mir erzählt, dass ab März nächsten Jahres erkrankte Menschen in Russland ohne ihre Erlaubnis in ein zentrales staatliches Krankheitsregister eingetragen werden. Ich glaubte das nicht – ist so etwas in einem Rechtsstaat überhaupt möglich, wo es Gesetze über ärztliche Schweigepflicht und Datenschutz gibt?
Ich habe im Internet recherchiert und die Regierungsverordnung Nr. 822 vom 31. Mai 2025 tatsächlich gefunden.
Die öffentliche Diskussion des Entwurfs hätte bis zum 28. September 2025 beendet sein sollen. Das heißt, man kann davon ausgehen, dass sie bereits abgeschlossen ist. Ich habe aber weder von einer Diskussion noch von großem öffentlichen Echo zu diesem Thema gehört.
Die Suche im Internet ergab nur einige Verlinkungen auf Medienberichte mit offiziellen Ankündigungen und mageren Kommentaren von irgendwelchen zufällig ausgewählten Experten – die schüchtern erwähnten, dass diese Verordnung möglicherweise einigen russischen Gesetzen widerspricht.
Lassen wir uns die Verordnung analysieren.
Medizinische und andere in der Verordnung genannte Institutionen werden nun verpflichtet (!), Daten über Krankheiten und Zustände bereitzustellen, die in Punkt 8 aufgelistet sind:
a) Bösartige Neubildungen (C00-C96), einschließlich bösartiger Neubildungen des lymphoiden, blutbildenden und verwandter Gewebes;
b) In-situ-Neubildungen (D00-D09);
c) Diabetes mellitus (E10-E14);
d) Psychische Störungen und Verhaltensstörungen, die eine ärztliche Überwachung erfordern (F01, F03-F99);
e) Ischämische Herzkrankheiten, einschließlich solcher mit Rhythmus- und Leitungsstörungen (I20-I24), (I44-I49);
f) Vorhandensein von Herz- und Gefäßimplantaten und -transplantaten (Z95.0);
g) Kardiomyopathie (I42);
h) Herzinsuffizienz (I50);
i) Akute zerebrovaskuläre Ereignisse (I60-I66);
j) Lebererkrankungen, einschließlich alkoholischer Ätiologie (K70-K76);
k) Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (O00-O99);
l) Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (J44)".
Die Codes in Klammern beziehen sich offenbar auf WHO-Krankheitscodes. Die nächsten zwei Punkte der Verordnung verdienen es, vollständig zitiert zu werden:
9. Ein Registereintrag wird erstellt, wenn bei einem Patienten die in Punkt 8 dieser Regeln aufgeführten Krankheiten und/oder Zustände festgestellt werden. Den Registereinträgen wird eine eindeutige Registernummer und das Datum ihrer Vergabe zugewiesen. Eine Löschung von Registereinträgen ist nicht vorgesehen.
10. Die Zusammensetzung der Patienteninformationen, die im Register gespeichert werden, ist in der Anlage zu diesen Regeln aufgeführt. Informationen werden für jeden Patienten eingegeben, bei dem die in Punkt 8 dieser Regeln aufgeführten Krankheiten und/oder Zustände festgestellt wurden.
Übersetzt von Bürokratisch ins Verständliche bedeutet das: Jeder Mensch, der einen Arzt wegen einer der oben aufgeführten Beschwerden aufsucht oder auch nur aufgrund eines Verdachts darauf – wird automatisch ins Register eingetragen. Die Daten werden ohne Zustimmung und ohne Wissen des Patienten erfasst.
Und sich selbst daraus löschen – das geht nicht. Die Löschung von Registereinträgen ist ja nicht vorgesehen.
Zudem, wenn man die "Zusammensetzung der Informationen und summarischen Daten über Patienten, die im föderalen Register von Personen mit bestimmten Krankheiten gespeichert sind" studiert, fällt etwas Erstaunliches auf. Um als Patient mit psychischer Erkrankung registriert zu werden, genügt es beispielsweise: "Die Tatsache, dass der Patient einer pathopsychologischen Untersuchung unterzogen wurde (mit Angabe des Datums und der Ergebnisse dieser Untersuchung)" oder "die Tatsache des Vorhandenseins suizidaler Gedanken und Absichten beim Patienten…" Das heißt, wenn man einen Arzt bittet, sich zu untersuchen – fertig, man ist als psychisch Kranker bereits im Register. Oder wenn man einem Arzt vertraut und ihm von seinen schlimmen Gedanken erzählt – willkommen im Register mit einer sehr unangenehmen Kennzeichnung!
Was sagen offizielle Quellen über den Zweck dieses Registers? "Das Ziel des Registers ist die Überwachung von Erkrankungshäufigkeit und Demografie sowie die Vereinfachung der Budget- bzw. Personalplanung im Gesundheitssystem. Ein einheitliches System wird Ärzte davon befreien, Informationen mehrfach eingeben zu müssen... Heute sammelt das Gesundheitsministerium und die Statistikbehörde die wichtigsten Statistiken manuell durch jährliche Formulare. Darüber hinaus wird der Zugriff auf das System es ermöglichen, Daten zwischen Behörden zeitnah abzustimmen. Derzeit hat beispielsweise das Innenministerium keine Möglichkeit zu erfahren, ob eine Person in einem psychiatrischen Dispensaire registriert ist…"
Also ist das Ziel – Statistiken zu sammeln, nicht die Behandlung zu verbessern oder die Servicequalität zu erhöhen. Darüber hinaus ermöglicht das Register, psychisch Kranke oder Schwangere zuverlässig zu erfassen und deren Daten anschließend an andere Behörden weiterzugeben. Und wie Informationen vom Innenministerium durchsickern ist gut bekannt: Es gibt viele Unternehmen auf dem Markt, die gegen kleines Geld Überprüfungsdienste für Privatpersonen anbieten.
"Verstößt das etwa nicht", werden Skeptiker fragen, "gegen das föderale Gesetz Nr. 152 zum Schutz personenbezogener Daten, in dem eindeutig festgelegt ist, dass Daten nur mit Zustimmung der betroffenen Person weitergegeben werden dürfen?" Ja, es verstößt dagegen. Und nicht nur gegen dieses Gesetz, sondern auch gegen das föderale Gesetz 323 "Über die Grundlagen des Gesundheitsschutzes von Bürgern in der Russischen Föderation".
Außerdem verstößt es offenbar auch gegen verfassungsmäßige Bürgerrechte auf Wahrung der Privatsphäre. Jedoch steht in der Verordnung einfach geschrieben, dass sie die Anforderungen zum Datenschutz berücksichtigt. Was für weitere Fragen und Bedenken kann es da noch geben, ihr Skeptiker?
Also: Ab dem 1. März 2026 wird in Russland zu Kontroll- und Statistikzwecken ein zentrales Register für 12 "Krankheiten und Zustände" aufgebaut. Medizinische Einrichtungen und Behörden sind dann verpflichtet, Patientendaten zu diesen 12 Fällen ohne Patientenzustimmung weiterzugeben. Das Register wird vom Gesundheitsministerium verwaltet, und der Zugriff wird noch etwa einem Dutzend verschiedener Einrichtungen gewährt, einschließlich des Innenministeriums, das nichts mit medizinischen Belangen zu tun hat.
Die Geschichten von Datenlecks aus den Behörden sind uns allen bekannt. Betrüger, Werber oder militärische Gegner werden nun alle Hände voll zu tun haben!

Erpresser werden sich auch Zugang verschaffen unter falschen Vorzeichen.
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